Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Moderator: Gerry

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rigid57
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Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von rigid57 »

Also da ich mir denke dass das den einen oder anderen interessieren könnte schreibe ich hier mal einen kurzen Bericht zu meiner Idee und Umsetzung. Ich fahre meinen Starrahmen (S&S Motor, ca. 84“ mit STD-Köpfen, 2 Kerzen pro Kopf,[S&S Shovelköpfe gab es vor ca. 25 Jahren noch nicht als ich den Motor aus Einzelteilen aufgebaut hatte], Dyna Singelfire Zündung mit 2 Doppelspulen, Jims 6gang overdrive [sehr empfehlenswert]mit Anlasser und Eigenbauübertrieb, 3“ Primärbeltdrive, 20mm Sekundärbelt (115 Zähne), 200er auf 7“x15“) nun seit nunmehr über 30 Jahren, je nach finanziellen und technischen Möglichkeiten habe ich über die Jahre immer wieder optische und vor allen Dingen technische Verbesserrungen durchgeführt. Von dem damals gekauften Motorrad sind neben dem Rahmen nur noch der Ölfilter/Kühler und Reste des Spratorücklichtes übrig geblieben.
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Da ich neben dem Starren auch immer eine modernere HD (EVO-Sporty, EVO-FXR, Twin Cam Super Sport und aktuell eine Low Rider S) gefahren habe ist mir unter anderem immer wieder aufgefallen z.B. beim cruisen durch die Stadt der Starre doch manchmal stark ruckelt, die anderen aber nicht. Warum? Was ist bei den modernen Kisten anders als beim Starren mit 3“Beltdrive – klar sie haben den so genannten Ruckdämpfer im Ölbad und ich (noch) nicht…. Vor ein paar Jahren habe ich mir einen gebrauchten Shovelruckdämpfer besorgt, die bewegliche Nocke gegen eine von ner EVO ausgetauscht (wegen der geringeren Bauhöhe).
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Shovelfederpaket hatte 8 Tellerfedern, EVO nur 4, also müssen 4 reichen! Die originalen Federn sind natürlich zu groß, also gemessen, berechnet, recherchiert und dann welche im Netz bestellt. Passenden Korb für die Federn hergestellt und passende Druckscheibe für die EVO-Nocke gedreht.
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Dann den genauen Abstand von meinem BDL- Antriebspully gemessen (sollte nachher alles ohne Distanzscheiben zum Kupplungskorb passen, Stichwort Parallelität ) Gemessen, Zeichnung gemacht, wieder gemessen etc, dann die Drehbank angeschmissen, den Pully
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und das Doppelzahnrad mit dem Nockengegenstück bearbeitet,(10 HM-Schneidplatten verbraucht) gebohrt, Gewinde geschnitten….. Achtung: das Doppelzahnrad ist gehärtet, aber mit viel Gefühl und Kühlmittel und Schneidfett geht es. HM-Bohrer benutzen! Bohren vor dem Drehen!!
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Der originale BDL verzahnte Stahladapter der in den Pully geschraubt und verstiftet wird, wird mit 3x 5/16 und 3x 8mm Spannstiften gehalten. Für diesen Durchmesser ist bei dem bearbeitetem Doppelzahnrad leider nicht genug „Fleisch“ vorhanden. Ich habe mich stattdessen für 4x M6 Inbusschrauben und 4x 6mm Spannstifte entschieden. In der Querschnittsumme ist es zwar etwas weniger aber es sollte nach meiner Erfahrung/Meinung ausreichend sein. Zumal die Kraftübertragung durch die Kurbelwelle und im Schiebebetrieb durch das Hinterrad durch den Ruckdämpfer ja gedämpft werden, also weniger Belastung auftritt als bei der starren Verbindung.
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Fehlte noch das Thema Schmierung, da die Konstruktion ja nun offen war, war die originale Ölschmierung nicht möglich, habe es ordentlich mit einem zähen Fett geschmiert (mehr dazu später).
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Lange Rede, kurzer Sinn, habe alles montiert, passte alles wie geplant UND es funktionierte!!!! Tags drauf mit nem Freund nach Belgien gefahren, hat alles so funktioniert wie es sollte – aber so nach ca. 70 km fing es bei Lastwechsel leicht an zu quietschen – logisch das Fett hatte sich weggedrückt, zuhause angekommen die Konstruktion demontiert und neuen Pully montiert. Das ganze Geraffel in einen Karton verpackt und erst mal ad acta gelegt und die nächsten 2 Jahre wieder so gefahren.
Hat mir aber keine Ruhe gelassen, wieder raus geholt und überlegt wie ich da eine Ölschmierung hinbekomme. Entweder waren die Ideen nicht praktikabel oder mit Denkfehlern behaftet. Als Maschinenschlossermeister hatte ich bis heute immer eine praktikable Lösung für derartige Probleme gefunden – diesmal irgendwie nicht. 2 Maschinenbauingenieure zu Rate gezogen, aber die hatten auch leider keine Lösung parat. Aber wie das manchmal so ist – pop – auf einmal ist da so eine Idee…. 3 Stellen waren nach außen hin abzudichten: nach vorne, nach hinten und zur Kurbelwelle.
Nach außen: passende Aluplatte drehen, O-Ringnut, verschrauben, fertig.
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zur Kurbelwelle: die Verlängerung für den Sprocket Shaft hat oben eine Fase und darauf kommt bei meiner Konstruktion noch eine Distanzbuchse. In diese Distanzbuchse noch eine kleine Fase gedreht, passenden O-Ring ausgesucht und wenn nun alles verschraubt wird presst sich der O-Ring in die Fasen und dichtet zur Kurbelwelle hin ab – fertig.
nach hinten: das war das Problem….
Aluring gedreht, verbohrt und verschraubt, unten drunter mit Dichtungsmaterial, Simmerring eingesetzt, spezielle Abschlußplatte gedreht und mit O-Ring eingesetzt. Keine Panik, der Simmerring macht nur die Nickbewegung der Nocken mit, bei der Motordrehzahl hätte ich auch meine Bedenken.
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Ein weiteres Problem war die Ölverteilung. Eine Primärkette die das Öl an die Schmierstellen verteilt ist ja nun nicht vorhanden und durch die Zentrifugalkraft würde das Öl ja nur nach außen geschleudert werden. Also was tun? Die Lösung war ein Pumpenrad zu bauen die das Öl wieder nach innen fördert. Ölmenge ca. 200ml.
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Nun seit ca. 9000km erfolgreich im Einsatz.
Mfg
Ingo
achtball
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von achtball »

Wow, was für ein Einsatz und Engagement - und Hartnäckigkeit :lol:
Hut ab Respekt für die tolle Idee und ihre Umsetzung.
Ich wollte, ich wäre ansatzweise zu solchen Konstruktionen in der Lage.
Danke für´s Teilen und allzeit gute Fahrt damit, Gruß Philipp
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Mike_O
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von Mike_O »

Respekt!
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Don Rocket
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von Don Rocket »

Absolut saubere Arbeit, Hut ab!
Und vielen Dank fürs Zeigen. Ich meine, davon lebt das Forum ja, das Wissen weitergegeben wird.

Es gab Mitte der 90er mal einen Riementrieb, der hatte auch einen Ruckdämpfer im vorderen Pulley, allerdings basierend auf Dämpfergummis. Die Konstruktion nannte sich TEBOX und wurde von drei Firmen im süddeutschen Raum entwickelt und vertrieben. Die Kupplungslamellen waren von der Ducati 916 und Dämpfergummis gab es in verschiedenen Härtegraden. Das Teil hat sich leider nie richtig etablieren können, es fehlte wohl ein vernünftiger Vertrieb und zum Sozialtarif gab's das bestimmt auch nicht.

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TEBOX-Belt-2.jpg
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Aber ich will nicht von deiner tollen Arbeit ablenken.

Gruß
Dieter
Zuletzt geändert von Don Rocket am 23.06.2021, 13:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Mike_O
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von Mike_O »

Dieter, das ist auch eine interessante Variante!
Vor Kurzem gab's hier mal nen Thread zu nem Pulley mit Gummi-Ruckdämpfern. Finde das aber nicht mehr. Falls jemand noch weiß .... und den Link posten könnte....

Wünsche euch nen schönen Feiertag,
Michael
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robo
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von robo »

Hi Ingo,

eine Menge Arbeit. Und schön gelöst das Ganze.


@Mike_O

Es gibt da noch den Belt Optimizer Pulley von Rai Parts für 1,5 und 3 Zoll Belts. Auch über W&W orderbar. Die Pulleys haben aber ihren Preis. https://www.wwag.com/cgi-bin/WebObjects ... =%21141259

gruss robo
Alex MTeK
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Registriert: 17.12.2014, 12:39

Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von Alex MTeK »

Die Lösung mit dem Gummidämpfer im Frontsprocket gab´s original von Harley bei allen Modellen mit Primärbelt.
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Mike_O
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von Mike_O »

Danke,
das Rai-Teil hatte ich im Hinterkopf.
Gruß,
Michael
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Bugsy
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Re: Ruckdämpfer im 3“ Primärbeltdrive

Beitrag von Bugsy »

Howdy :) ,

ich hatte ja den Vorzug, das mal live zu sehen und es ist technisch sehr gut gemacht und sauber verarbeitet.
Ingo hat auch noch andere sehr gute Nummern auf Lager ... 8)
Vielleicht werden in Zukunft noch einige andere nette Ideen hier zu sehen sein ;-) ..

Liebe Grüße & have a nice day,
Bugsy :-)
Raus auf die Straße in den rauhen Wind, wo die Shovelheads zuhause sind ...
www.mauersegler.com
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