Moin Compadres de la Oilo
---> Oh je - aus Erfahrung: Nur lesen wenn Lust und Zeit dazu - ist länger geworden, der Gedanke zur Mobilität.
Das mit der Mobilität ist der Tat ein etwas komplexes Thema.
Ich lebe hier ja in einer sozioökonomisch als "Schlafstadt" zu bezeichnenden Gemeinde, die in den letzten 30 Jahren von 3000 auf über 10.000 Bewohner angewachsen ist, WEIL Mobilität faktisch extrem billig geworden ist, für Leute mit gutbezahlten Jobs.
Vorher hab ich Bremen in einem eher benachteiligten Stadtteil gewohnt, wo eben genau diese weggezogenen Besserverdiener als Bürger fehlten, um vernünftige Politik für alle zu machen.
Segmentation nennt sich das, wenn es sich ökonomisch und sozial lohnt sich aus der Allgemeinheit auszuklinken und 40-80km jeden Tag zur Arbeit hin und auch wieder zurück zu fahren, anstatt dort mit allen und den gleichen Bedingungen zu leben und zu wohnen wo die Arbeit, auch mit ihren Nachteilen für die Gegend, ist.
Mein Mitleid hält sich für Berufspendler in begrenztem Maße, da ich hier vor Ort sehe wie sich ein Dorfleben negativ verändert, wenn Fluglotsen, Bürohengste, Banker und Versicherungfuzzis die Miet- und Hauspreise explodieren lassen, weil das z.B. im Vergleich zu der Stadt, in der sie das Geld verdienen, immer noch sehr günstig ist.
Dazu der so komplett andere Kulturanspruch dieser Leute (NABU, 3.Weltladen, Reformhaus, etc. pp.), die kaum mit dem Leben der alten örtlichen Bevölkerung kompatibel ist.
Die Konfrontation gewinnt das Geld und nicht die Tradition.
Hier hätten wir z.B. den Punkt mit den Straßensperrungen - aus der Stadt aufs Land, der Ruhe/Idylle wegen und dann Motorradlärm am WE von "Fremden"!
Geht gar nicht.
Bürgermeister mach was, sonst zieh ich woanders hin (mach ich eh irgendwann).
Ich zahle hier für ein komplettes großes Haus (7 Zimmer) mit Garten und Doppelgarage deutlich weniger als in der Stadt für eine Dreizimmerwohnung.
Ich bin hier aber hingezogen, weil ich mit dem Fahrrad 5 Minuten zu meinem Job brauche und meine Kinder auf dem Land aufwachsen lassen wollte.
So und wenn dann lauthals über die Spritpreise gejammert wird, von meinen Pendelnachbarn, finde ich das erbärmlich bis schäbbig.
An der Schule meiner Kinder gab es genau eine Lehrerin, die im Ort hier wohnte; der Rest pendelte zum Teil 60km täglich in die Großstadt, weil man dort eine Immobilie hat und hat damit überhaupt keinen Bezug zu der Umwelt der Kinder hier auf dem Land, die man verstehen und benoten soll.
Könnte jetzt ewig weiterpalavern - aber ein Blick in die Zukunft, wenn Mobilität weiterhin so extrem billig ist wie bei uns, gibt die gute USofA - wo die Städte verslummen und die Vororte immer asozialer werden, weil den Menschen, an beiden Plätzen, durch diese ökonomische Segmentierung, die sog. "Dritten Orte" fehlen.
Das sind die Plätze/Orte wo man "Mensch" sein kann und nicht in Lohn- oder Familienverpflichtungen eingespannt ist.
Wo man Gleichgesinnte trifft oder aber auch Andersdenkende "ertragen" muss, auf Augenhöhe und nicht in asymmetrischen Beziehungen, wie am Arbeitsplatz oder Zuhause.
Wo man so sein kann wie man ist und sich auch mal ausprobieren kann, so wie man sein möchte.
Das digitale Universum hat mit seinen Sozialsurrogaten nicht ohne Grund so irren Zuspruch.
Nur was dabei rauskommt, wenn der Verein, die Kneipe oder Kirchenguppe durch den Chat ersetzt wird, brauch ich wohl niemandem hier, in diesem digitalen Sozialsurrogat "Shovel-Head.com-Forum", zu erzählen.
Die PEP und die PreEvo-Sonntage sind ja genau der Versuch, das digitale "Als-ob" auch mal Real werden zu lassen, weil wir alten Esel das analoge Treffen, Benzinlabern und auch Rumspinnen und Angeben vermissen.
Billige Mobilität, verspricht mehr Freiheit und zerstört diese Möglichkeiten im Endeffekt, weil sie Strukturen vernichtet, die uns Freiheit erst ermöglicht haben.
5 DM für den Liter Sprit war mal ein politischer Selbstmordversuch, aber 3-5 Euro heute und dafür keine KFZ-Steuer (Kosten nur wenn auch Bewegung ist) und ein Ende der elendigen Kilometerpauschale (ja die wird von den Jammerern über den Spritpreis gerne vergessen), die schlicht eine Subvention der Mobilität für die Mobilen ist, würde den Menschen am Ende des Tages mehr bringen, als das was heute unter dem unsinnigen Deckmantel der "Umwelt" verzapft wird.
Sesshafte Menschen bilden Strukturen, da wo sie sind, mobile Menschen verlieren diese Strukturen.
Und ohne solide soziale Beziehungen sind wir letztendlich ärmer, unzufriedener und anfällig für allerlei Unsinn.
Von der Ungemach, die diese Mobilität in Zeiten einer Seuche bringt, will ich mal gar nicht anfangen. Katastrophe!
Ob es Sinn macht Dinge zu beschreiben, zu kritisieren, die man nicht ändern kann, dass sei mal dahingestellt.
Wir haben ja die Freiheit für uns zu machen was wir wollen und unser leben so zu ordnen, dass es uns passt.
Das das Leben glückt ist aber nicht immer einfach
Leider verändern in Gesellschaften unzufriedene Menschen in großer Zahl dann immer auch was - nur zu welchem Preis, dass kann man aktuell ja ebenfalls in der USofA beobachten, wo große unzufriedene Bevölkerungsteile lieber einfach an blanke Irrationalität glauben, als unbequem und kompliziert die Realität erkennen zu wollen und u.a. den steigenden Spritpreis verteufeln und nicht sehen, dass sehr ausschlaggebend, die dort lange Zeit extrem billige Mobilität sie genau dahin gebracht hat, wo sie jetzt so unzufrieden sind.
Gesellschaftliche Strukturen, die Halt, Glück und Zufriedenheit geben, sind dort aus vielerlei Gründen nahezu komplett erodiert.
Gute Nacht und haltet durch.
Bester Gruß vom Weidenrande.
Maruski