HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

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SHOVEL-DUDE
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HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von SHOVEL-DUDE »

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied mit dem 18.8.2015 zum Aktenzeichen 22 U 39/14, dass ein stillschweigender Haftungsausschluss für Unfälle durch Regelverletzungen vorliegt.

Einige von uns werden es sicherlich kennen, ich insoweit auch, dass man sich mit anderen zu einer Ausfahrt verabredet und im Pulk die Fahrt antritt.

Hierbei bestehen jedoch enorme Haftungsrisiken wie das obige Urteil zeigt.

In dem entschiedenen Fall war eine Gruppe von vier Motorradfahrern auf einer Landstraße unterwegs und sie fuhren sehr dicht hintereinander, wie es beim Fahren im Pulk nun mal so üblich ist.

Dabei kollidierte das erste Motorrad in einer Kurve mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, das zweite Motorrad stürzte dann ebenfalls und auch das dritte Motorrad kam zu Fall. Dem vierten Motorradfahrer gelang glücklicherweise ein Slalom zwischen den liegenden und rutschenden Maschinen und er kam nicht zu Fall.

Der zweite Motorradfahrer verklagte daraufhin den dritten weil dieser wegen eines zu geringen Sicherheitsabstandes auf ihn aufgefahren sei.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab da die vier Motorradfahrer im Pulk gefahren sind und insoweit stillschweigend vereinbart hätten, sich nicht an die Regeln hinsichtlich des Sicherheitsabstandes zu halten.

Wie dieses Urteil zeigt müsste man eigentlich auch beim Fahren im Pulk den Sicherheitsabstand zum jeweils vorausfahrenden einhalten, wenn man nicht etwaiger Schadensersatzansprüche durch ein stillschweigenden Haftungsverzicht verlustig gehen will.

quelle: bikerkanzlei.de
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Steiner
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Re: HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von Steiner »

Hi,
meine Frage wäre hier was ist da überraschend?
Ob ich mit jemand zusammen fahre den ich kenne oder ob ich einem fremden Fahrzeug oder Motorrad hinterher fahre ist schließlich egal ich muß den Abstand einhalten den ich zum bremsen brauch falls was passiert.
Wenn du tot bist, dann weisst du nicht, dass du tot bist. Es ist nur für die anderen schwer.
Genau so ist es, wenn du blöd bist.
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Thorsten D.
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Re: HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von Thorsten D. »

mal dem steiner zustimm... egal wo und mit wem ich fahr.... immer schauen das der arsch sauber bleibt

und anmerk das man
a) in der gruppe nicht ohne grund versetzt fährt
und
b) immer schauen sollt mit was für leuten man sich abgibt
Gruss Thorsten
achtball
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Re: HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von achtball »

Naja, das "Überraschende" an dem Urteil ist wohl, dass der Dritte, obwohl er die Regeln zum Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, dem Zweiten den hierdurch entstandenen Schaden nicht ausgleichen muss.
Dieses Ergebnis hat das Gericht wohl damit begründet, dass die ganze Gruppe untereinander einig war, den Sicherheitsabstand nicht einzuhalten und alle Beteiligten damit quasi einen gegenseitigen Haftungsverzicht vereinbart hätten.
Das klingt ja erst mal irgendwie ganz vernünftig (ich hab mir erst gedacht, was ist denn der Zweite für´n Arsch, dass der seinen Kumpel - den Dritten - verklagt), führt aber am Ende natürlich dazu, dass die hinter dem Schädiger (dem Dritten) stehende Versicherung nicht einstehen muss und dadurch der Geschädigte (der Zweite) leer ausgeht, was ja gerade bei körperlichen Beeinträchtigungen richtig ätzend sein kann.
Letztlich ist so ein Urteil also ein Erfolg für die Versicherungswirtschaft.
Gruß Philipp
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maruski
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Re: HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von maruski »

Moin Leute.

Das Urteil ist schlichtweg ne "Schweinerei", da der Gesetzgeber ja gerade die Haftpflichtversicherung aus einem guten Grund VORSCHREIBT, bzw. zwingend von mir einfordert, mein immer durch alle meine Handlungsfreiheit vorhandenes Lebensrisiko, welches im Schadensfall meinen privaten Regulierungsmöglichkeiten übersteigen kann, abzusichern, um am Straßenverkehr überhaupt teilnehmen UND eine Gefahr für andere Teilnehmer sein zu dürfen (weil die Gefahr durch mich und meine Feherhaftigkeit für Andere eben nicht vermeidbar ist).
Das es nun möglich ist diese Haftpflicht stillschweigend !!!! aufzuheben, durch eine gängige Praxis (die z.B. in den USA bei der Führerscheinprüfung gefordert wird), die nicht mal stringent bestraft wird, ist unfassbar.

Gab es nicht früher sogar so Demos, wo einige hundert Biker mit Sicherheitsabstand über die Autobahn bei Köln gefahren sind am Freitag Nachmittag, pünktlich zum Feierabend?
Gibt es die "Biker Union" eigentlich noch?
Was ist denn, wenn wir in so langer Schlange, mit Sicherheitsabstand fahren, dass Überhohlende Unfälle verursachen - haben wir das dann durch gemühtliches Fahren in der Gruppe stillschweigend auch billigend in Kauf genommen?
Genau das ist nämlich die Begründung für versetztes Fahren in den USA - kürzere Überholwege für LKW. For safty reasons!
Das ist wie, wenn wir anfangen würden ganze Parkplätze für uns zu beanspruchen, z.B. in der Hamburger Innenstadt am Samstag.
Kollonefahren nutzt Verkehrsraum sparsam und verantwortlich aus.

In Kollone fahrende Biker haben ja meist sogar den ausreichenden Sicherheitsabstand zum direkt Vorfahrenden - nur das seitlich versetzt eben noch einer am Fahren ist.
Klar ist das der Reinfahrer der Schuldige ist, weil er irgend einen Fehler gemacht hat.
Nur der Vorfahrende hat ja keinen Fehler gemacht, wenn er abgeschossen wird.

Beim Motocross ist die Hausordnung klipp und klar, dass keiner für gar nichts haftet, was er auf der Strecke anrichtet oder angerichtet bekommt. Die Rennstrecke ist ausdrücklich haftungsfreier Raum und jeder Fahrer unterschreibt es an jedem Tag, dass er damit einverstanden ist.
Ich für mich und meine beiden Kinder!
Und selbst so eine Regelung ist Grauzone, da der Gesetztgeber als Letzthaftender (Solidaritätsgemeinschaft) solche Praktiken von Privathaftungsausschluss gar nicht mag.

Daher verstehe ich dieses Urteil absolut nicht.
Aber ich verstehe das mit dem Flughafen in Berlin ja auch nicht - solange ich nicht wieder die "Schwarze Fahne" hissen will..

Gruß vom Wiesenrande.
Maruski
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liekoer
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Re: HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von liekoer »

Moin Markus,
Ich glaube Du kannst Fahne wieder einpacken.

Ich war nicht dabei und kenne den Sachverhalt nicht. Aber wahrscheinlich geht es hier doch nur um Schuld oder Mitschuld und um die Hochstufung in der Versicherungsstufe.

Etwas anderes wäre nicht möglich, stelle Dir vor, der Pkw wäre ein Tanklaster der explodiert. Das kann ein Mensch gar nicht bezahlen. Da gibt es noch andere Beispiele.

Fraglich ist aber auch und vielleicht ging es auch in diesem Streitfall darum, warum der PKW mit dem ersten Krad zusammengestoßen ist? Wer hat hier seine Farbahn verlassen? Vielleicht der PKW und der sollte nun für den Schaden am dritten Motorrad aufkommen?

Gruß
Norbert
maruski
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Re: HAFTUNGSAUSSCHLUSS BEIM FAHREN IM PULK

Beitrag von maruski »

Ja Norbert,
da hast du sicherlich Recht.
Die Juristen haben sich eine Gedankenwelt geschaffen, die die alltägliche Vernunft nicht mehr durchdringen kann.
Jeder Fall ist anders und wir haben hier ja zum Glück und aus gutem Grund, nicht das angelsächsische Rechtsverständnis mit den Präzedenzfällen.
Leider neigt Mensch ja immer, wenn er was nicht versteht, erstmal zu Abwehr und was so Rechtssprüche angeht, dann oft zu Meinungen, die mit Ruhe betrachtet, unhaltbar sind.
Ohne hinreichende, oder wie ein Jurist vielleicht sagen würde, vollumfängliche und vor allem sachkundige, Betrachtung des Einzelfalles, ist letztendlich gar keine Meinung dazu einzig sinnvoll.
Eigentlich ist, und da sehe ich ein echtes Problem der heutigen Zeit, das Bilden von Meinungen aufgrund von unzureichender Medienberichterstattung beinahe immer oft unsinnig.
Leider lebt Demokratie von Meinungen, denn nur aufgrund von Meinungen können wir eine Wahl treffen.
Und diese Meinungen werden objektiv immer nur Hypothesen bleiben können oder aber unsere subjektiven Hoffnungen abbilden.

Und da hoffe ich stark, dass die seit über 30 Jahren von mir so gut und vernünftig praktizierte Fahrweise im versetzten Pulk (wir haben das schon mit über 50 Hockern über mehrere hundert Kilometer gut hinbekommen) nicht outlaw wird.

Der Reflex aller Lebewesen: Starre (What a fuck)/Flucht (Ich will das nicht)/Kampf (Das muss weg) ist in diesem Fall wohl wirklich nicht angebracht, da das wohl keine echte Bedrohung für meine/unsere Alltagspraxis ist.

Gruß ins WE vom Wiesenrande
Maruski
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